Wie sicher ist der Gotthardtunnel?
Wie sicher ist der Gotthardtunnel?
Der erste Gotthard-Strassentunnel ist im Jahr 1980 in Betrieb genommen worden und von Alters wegen sanierungsbedürftig. Um die Nord-Süd-Verbindung weiterhin aufrecht zu erhalten, wird aktuell einen weiteren Strassentunnel gebaut, welcher voraussichtlich im Jahr 2029 eröffnet wird. Sobald dieser für den Verkehr zugelassen ist, kann der ältere Tunnel saniert werden. Ab 2032 sollen dann beide Tunnels betriebsbereit sein, wobei jeweils nur eine Fahrspur pro Richtung dem Verkehr offenstehen soll, die zweite Spur ist als Pannenstreifen vorgesehen. Ziel ist die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen. Wie steht es aktuell um die Sicherheit von Gütertransporten durch den Gotthardtunnel?

In den Sozialen Medien kursiert ein Video von einem Unfall, das einen brennenden Kleintransporter zeigt. In einem Social-Media-Post empört sich ein User, dass derartige Fahrzeuge durch den Gotthard und in Einstellhallen fahren dürfen. Welche Sicherheitsvorkehrungen gelten in der Schweiz für den Transport von Gefahrgut?
Für den Transport von Gefahrgütern sind in der Schweiz strenge Vorschriften einzuhalten. Der im Facebook-Post gezeigte Unfall mit dem brennenden Kleintransporter ereignete sich nicht in der Schweiz, sondern in Moskau.
Gefährliche Güter» (Gefahrgüter) sind Stoffe, welche eine gefährliche Eigenschaft für Mensch, Tier und Umwelt haben können», schreibt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) auf ihrer Website. Gefahrguttransporte wie etwa Heizöl, Benzin, aber auch brennbare, druckverflüssigte Gase, Reinigungsmittel und Abfälle machen etwa 10 Prozent des Gütervolumens aus, welches auf den Strassen transportiert wird.
Für den Transport von Gefahrgütern gibt es strenge Vorschriften. Zum Beispiel ist geregelt, wie ein Lastkraftwagen für den Gefahrguttransport gebaut und ausgestattet sein muss, in welcher Zusammensetzung und Menge aber auch auf welchen Strecken Gefahrgut transportiert werden darf. Letztlich ist auch vorgeschrieben, wer einen solchen Transport ausführen darf.
Gefahrguttransporte sind international im Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR) und national in der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR) geregelt.
Lastwagenbrand ereignete sich in Russland
Der im Facebook-Post gezeigte Verkehrsunfall ereignete sich im Jahr 2013 in Moskau. Auf der Autobahn geriet ein mit Gasflaschen beladener Kleintransporter in Brand. Dies wurde bereits in einem früheren Faktencheck dargelegt.
Der Vorfall hat folglich nichts mit der Schweiz oder dem Gotthardtunnel zu tun. Gemäss dem Bundesrat hat die Schweiz im internationalen Vergleich in Bezug auf Gefahrguttransporten einen hohen Sicherheitsstandard. Auch die Risiken beim Strassentransport von Gefahrgut werden laufend überwacht und wenn nötig entsprechende Massnahmen ergriffen.
«Der Transport gefährlicher Güter durch Schweizer Strassentunnel ist gemäss ADR beschränkt», schreibt das ASTRA. Es dürfen nur einzelne, konkret bezeichnete Strassentunnels mit Sonderbewilligungen befahren werden. Der Gotthardtunnel ist der Tunnelkategorie E zugeordnet: Nur mit behördlicher Bewilligung darf Gefahrgut durch den Tunnel transportiert werden.
Transportierte Güter müssen gemäss Vorschriften mit einer sogenannten UN-Nummer (Kapitel 3.2) gekennzeichnet sein. Für bestimmte gefährliche Güter mit bestimmten UN-Nummern ist zudem die Einhaltung der vorgeschriebenen Bezettelung (Kapitel 5.2.2.2.2) der Gegenstände notwendig. Explosive Stoffe und Gegenstände mit Explosivstoff sind der Gefahrenklasse 1 zugeordnet und sind mit orangefarbenen Tafeln zu kennzeichnen.
Die Kennzeichnungspflicht hängt von der Gefährlichkeit des Gefahrgutes und von der jeweils beförderten Menge ab, wie Lorenzo Quolantoni vom ASTRA auf Anfrage von Keystone-SDA schreibt. Der Mediensprecher führt aus, dass grundsätzlich «jede Beförderung von Gefahrgut durch den Gotthard zulässig [sei], sofern die Beförderungseinheit (Motorfahrzeug ohne Anhänger oder Anhängerzug) nicht mit orangefarbenen Tafeln gekennzeichnet werden» müsse.
Alternativ zum Gotthardtunnel kann «ausserhalb der Wintersperre und wenn kein Anhänger mitgeführt wird» die Passtrasse gewählt werden, schreibt Quolantoni. «Für Transitfahrten von ausländischen Fahrzeugen wird zudem der Bahnverlad empfohlen», schreibt der Mediensprecher weiter.
Der zweite Schweizer Strassentunnel, der den gleichen starken Regulierungen unterworfen ist, ist der San Bernardino Tunnel. Aus Sicherheitsgründen ist die «Frequenzen für den Transitgüterverkehr begrenzt» worden, schreibt das ASTRA. «Am Gotthard dürfen pro Stunde maximal 1000 Personenwagen-Einheiten (PWE) in einer Richtung den Tunnel befahren; ein Lastkraftwagen (LKW) entspricht drei PWE.» Bei hohem Verkehrsaufkommen werden LKWs den schweizweiten Warteräumen zugewiesen.
Lagerung von Gefahrgut
Alexander Renner von der Kantonspolizei Zürich schreibt auf Anfrage von Keystone-SDA: «Wird ein Fahrzeug mit Gefahrgut für längere Zeit, in der Regel mehr als acht Stunden, abgestellt, kann dies als Lagerung von gefährlichen Stoffen interpretiert werden und es kommen die Vorschriften für die Lagerung zum Zuge.» Dies wird jeweils kantonal reglementiert.
Für die Lagerung von Transportgut gelten Vorschriften, welche verbindlich einzuhalten sind. So müssen die Güter gemäss Transportvorschriften ADR klassifiziert und entsprechend gekennzeichnet werden (Seite 14). Ein anderes Klassifizierungssystem richtet sich nach dem schweizerischen Chemikalienrecht. Vorschriften für die Lagerung (ab Seite 20 ff) betreffen unter anderem die Menge der Stoffe sowie welche Stoffe zusammen oder sicherheitsbedingt getrennt gelagert werden müssen.
Weiter müssen Richtlinien bezüglich Brandschutz, Gewässerschutz, Löschwasserrückhalt, Umweltschutz, Arbeitssicherheit und Chemikaliensicherheit eingehalten werden. Je nach Gefahrgut ist eine Lagerung im Freien oder in einem geeigneten Gebäude vorgeschrieben.
Auch Gaslager sind von diesen Vorschriften betroffen. «Permanente Gaslager müssen spezifische Anforderungen an die Sicherheit erfüllen wie Explosionsschutz und Brandschutz», schreibt Adrian Vonlanthen von der Versicherung SUVA auf Anfrage von Keystone-SDA.
Mit Gefahrgut beladenen Fahrzeuge dürfen Einstellhallen – sofern der Transport regelkonform und dort nicht ausdrücklich verboten ist – befahren und beparken. Je nach Gefahrgut und transportierter Menge müssen die Fahrzeuge in dieser Zeit überwacht werden, schreibt Alexander Renner von der Kantonspolizei Zürich.
Gemäss Brandschutzrichtlinien dürfen in Garagen mit mehr als 600 m2 Grundfläche, welche für das Parking von Motorfahrzeugen vorgesehen sind, keine gefährlichen Stoffe gelagert werden, schreibt die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF auf Anfrage von Keystone-SDA.
UVEK: Gotthard-Strassentunnel (archiviert)
ASTRA: Zweite Gotthard-Strassenröhre (archiviert)
ASTRA: A2 Zweite Röhre Gotthard (archiviert)
ASTRA: Gefährliche Güter (archiviert)
ASTRA: Gefahrguttransporte (archiviert)
ASTRA: Tunneltransport Gefahrgüter (archiviert)
ASTRA: Orientierung für die Gesuchsteller zur Durchfahrtsbewilligung durch Strassentunnel (archiviert)
ASTRA: Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR), Band 1 (Download) (archiviert)
ASTRA: Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (ADR), Band 2 (Download) (archiviert)
ASTRA: Verkehrsmanagement am Gotthard (archiviert)
ASTRA: Warteräume für den Schwerverkehr (Download) (archiviert)
Bundesrecht: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Strasse (SDR) (archiviert)
BAFU: Risiken überwachen beim Transport von gefährlichen Gütern, 28.06.2017 (archiviert)
UNECE: Codierung Gefahrgut (archiviert)
Faktencheck Keystone-SDA: Nicht alles, was auf den Strassen explodiert, sind Elektroautos
VKG: Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen – Organisation (archiviert)
Umweltfachstelle der Kantone Nordwestschweiz: Leitfaden Lagerung gefährlicher Stoffe (archiviert)
Kanton Zürich: Lagerung wassergefährdender Stoffe (archiviert)
SUVA: Merkblatt Gasflaschen, 2023 (archiviert)
VKF: Brandschutzrichtlinien (archiviert)
Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch