Der Bodensee im Dürrejahr 1540
Der Bodensee im Dürrejahr 1540
Der Bodensee ist der drittgrösste Binnensee Mitteleuropas, an den die Staaten Schweiz, Deutschland und Österreich grenzen. Die genauen Grenzen der Anliegerstaaten sind nie exakt definiert worden, doch gemeinsam bemühen sie sich um ein intaktes Ökosystem.
Wer den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt, begründet dies oft wenig schlüssig: Auch schon früher habe es extreme Wetterereignisse und Dürre gegeben, solche Phänomene könnten heute also nicht durch Treibhausgase verursacht sein. Das suggeriert eine im Netz angeblich von MeteoSchweiz verbreitete Meldung. Im Jahr 1540 soll der Bodensee austrocknet gewesen sein. Gleichzeitig wirft das Sharepic die Frage auf, wo damals die CO2 ausstossenden Flugzeuge und Autos gewesen seien. «Klimakrisenlüge im 21. Jahrhundert» kommentiert ein User die angebliche Meteo-Meldung.
Das Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) teilte mit, dass es keine derartige Meldung veröffentlicht habe. Der Bodensee sei damals auch nicht vollständig ausgetrocknet gewesen. Solche historischen Klimaextreme widerlegen nicht die vom Menschen beeinflusste globale Erwärmung, die ungefähr in der Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzte.
Woher der abgebildete Text ursprünglich kommt, ist unklar. Der Titel «Laut Meldung Meteo Schweiz» legt aber nahe, dass das Statement vom Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie komme. Dem widerspricht eine Sprecherin des Bundesamtes auf Anfrage von Keystone-SDA: Die angebliche Meldung stamme nicht von MeteoSchweiz.
Die hier thematisierte Trockenperioden sind im Gebiet der heutigen Schweiz in den letzten 500 Jahren immer wieder aufgetreten. Die Schweiz begann Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts mit der systematischen hydrometrischen Messung durch Messinstrumente, berichtete Michèle Oberhänsli vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf Anfrage von Keystone-SDA.
«Die ersten hydrometrischen Aufzeichnungen am Bodensee erfolgten am Obersee in Konstanz ab 1817», schreibt die Hydrologin vom BAFU. Die Schweizer Bundesbehörde selbst betreibt aktuell zwei Messstationen am Bodensee. Diejenige in Romanshorn ist seit 1881, jene in Berlingen seit 1886 in Betrieb. Seit etwa 1930 verzeichnen die Daten einen Rückgang des Wasserpergels im Sommer, schreibt Stefan Brönnimann von der Universität Bern.
Mittels historischer Dokumente und Chroniken lassen sich die relevantesten historischen Wetterextremen vor der systematischen Erfassung rekonstruieren.
Dürresommer 1540
Im Jahr 1540 war ganz Europa von einer extremen Trockenheit betroffen. Für eine Studie der Universität Bern untersuchten die Forscher mehr als 300 historische Dokumente aus mehreren europäischen Staaten. Im Gebiet der heutigen Schweiz regnete es demnach damals zwischen Februar und September 1540 kaum.
Chroniken rapportieren über extrem niedrige Pegelstände der grossen Gewässer. Auch der Bodensee war davon betroffen. Im August 1540 sank der Wasserpegel so tief, dass der hügelige Seeboden fast an der Oberfläche auftauchte. Die Insel Lindau konnte damals umwandert werden. Der rund 250 Meter tiefe See trocknete aber nicht vollständig aus. Das Schweizerische Nationalmuseum hat dazu einen ausführlichen Blogeintrag veröffentlicht.
Dies bestätigte auch Barbara Galliker von MeteoSchweiz. Auf Anfrage von Keystone-SDA schreibt sie, dass eine vollständige Austrocknung des Bodensees innerhalb eines extremen Hitzesommers physikalisch nicht möglich sei. Selbst mehrere aufeinanderfolgende extreme Trockenjahre würden dafür nicht ausreichen.
Eine jahrelange vollständige Umstellung unseres Klimasystems wäre notwendig, um die komplette Austrocknung des Bodensees zu erwirken, schreibt Stephan Bader von MeteoSchweiz. Dafür müssten etwa die Gletscher allesamt abgeschmolzen sein, da sie den See im Sommer mit Wasser versorgen.
Stefan Brönnimann von der Universität Bern vermutet, dass länger andauernde blockierende Hochdrucklagen, auch Omega-Block genannt, über Mitteleuropa den Hitzesommer 1540 ausgelöst haben könnte. Diese Ereignisse können zufällig entstehen und waren extrem selten. «Heute ist die Wahrscheinlichkeit solcher Ereignisse höher, und sie wird weiter zunehmen», führt der Klimatologe aus.
Fussabdruck der menschlichen Klimabeeinflussung durch Treibhausgase
Derartige Wetterextremen wie der Dürresommer 1540 wurden in der Vergangenheit mehrfach verzeichnet. Doch solcher Phänomene aus einer Zeit, als es noch keine CO2-ausstossenden Verkehrsmittel gab, widerlegen nicht den Einfluss des Menschen auf die Klimaerwärmung. Barbara Galliker von MeteoSchweiz zufolge zeigten physikalische Berechnungen, dass «ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts beim globalen Temperaturanstieg die menschliche Klimabeeinflussung durch Treibhausgase […] klar sichtbar ist.»
Auf seiner Seite schreibt das Bundesamt: «Der vermehrte Ausstoss von Treibhausgasen ist hauptverantwortlich für die Zunahme der globalen Durchschnittstemperatur der letzten 50 bis 60 Jahre. Natürliche Faktoren können die – erdgeschichtlich gesehen – aussergewöhnlich rasche Erwärmung im 20. Jahrhundert nicht erklären.»
Seit Messbeginn 1864 sind die Temperaturen in der Schweiz um 2 Grad Celsius gestiegen. Die Daten zeigen eindeutig, dass sie Temperaturen insbesondere in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen sind. Extremwetter wie Hitzetage nehmen zu, Frosttage nehmen ab, die Sommermonate werden trockener, im den Wintermonaten fällt weniger Schnee. Der Einfluss des Menschen auf die globale Klimaerwärmung wird im Netz immer wieder verharmlost. Die Keystone-SDA hat schon einige solche Falschbehauptungen widerlegt.
Klimaerwärmung beeinflusst das Ökosystem des Bodensees
Diese Klimaveränderungen wirken sich auf unsere Umwelt, auf die Vegetation sowie auch auf die Tierwelt aus. Auch der Bodensee ist von den Veränderungen betroffen. Der Klimawandel ist nicht nur für wärmere Wassertemperaturen verantwortlich, sondern stört auch die Zirkulation des Wassers. Das Tiefenwasser wird dadurch ungenügend mit Sauerstoff versorgt, was sich wiederum auf die Flora und Fauna auswirkt – die vorkommenden Arten verändern sich.
Der Klimawandel beeinflussen ebenfalls die Gesellschaft und Wirtschaft. Im Jahr 1540 führte die Dürre zu katastrophalen Ernten, das wenige Wasser war oft nicht trinkbar. Hunger und Durst war allgegenwärtig, der Wassermangel führte weiter zu Krankheiten, Brände entflammten. Die Auswirkungen waren verheeren.
IGKB: Der Bodensee (archiviert)
IGKB: Bodensee-Daten (archiviert)
IGKB: Rechtsverhältnis am Bodensee (archiviert)
IGKB: Reaktion des Bodensees auf den Klimawandel, 20.03.2020 (archiviert)
HLS: Dürreperioden (archiviert)
Beiträge zur Natur-Chronik der Schweiz, 1882 (archiviert)
Climatic Change: Studie der Universität Bern über die Dürre von 1540, 28.06.2014 (archiviert)
Schweizerisches Nationalmuseum: Blog über den Hitzesommer 1540, 01.09.2020 (archiviert)
SCNAT: Typische Wetterlagen für Wetterextremen in der Schweiz (archiviert)
Met Office: Omega-Block (archiviert)
MeteoSchweiz: Klimafakten (archiviert)
MeteoSchweiz: Klimawandel (archiviert)
Klimawandel und Jahreszeiten, 2020 (archiviert)
Keystone-SDA-Faktenchecks zum Klimawandel:
- Die CO2-Konzentration in der Luft beeinflusst den Nährwert von Lebensmitteln
- Freiheitsstatue als Mass für den Meeresspiegelanstieg?
Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch