12.07.2023 | Faktencheck

Tropenholz in Windenergieanlagen

Eine Studie aus dem Jahr 2022 ergab, dass ein Teilausbau von 30 Prozent des schweizerischen Windenergiepotentials einen wesentlichen Beitrag für eine sichere Stromversorgung leisten würde. Der Ausbau wird auch angestrebt, entsprechende Verfahren sind im Gange. Doch obwohl neuere Windenergieanlagen deutlich leistungsfähiger sind, sorgt nicht nur die Standortwahl immer wieder für hitzige Diskussionen. Den Herstellern wird auch vorgeworfen, für die Rotorblätter Regenwald abzuholzen. 


Transport eines Rotorblatts im August 2016 am Griessee im Wallis. Die Windturbinenblätter sind 45 Meter lang und wiegen rund 11'000 Kilogramm. Foto: Keystone-SDA / Olivier Maire
Transport eines Rotorblatts im August 2016 am Griessee im Wallis. Die Windturbinenblätter sind 45 Meter lang und wiegen rund 11'000 Kilogramm. Foto: Keystone-SDA / Olivier Maire
Behauptung

In den sozialen Medien kursiert die Behauptung, für eine Windenergieanlage soll das Holz von 150 Balsabäumen benötigt werden. Wie viel Balsaholz befindet sich in einer Windenergieanlage? Finden dieses Tropenholz ausnahmslos in sämtlichen Anlagen Verwendung?

Beurteilung

Teilweise wird Balsaholz in Windenergieanlagen verbaut, jedoch nicht in allen. Das Holz wird vermehrt durch andere Rohstoffe ersetzt. Balsa ist ein Tropenholz, jedoch keine bedrohte Pflanzenart.

Sachlage

Gemäss der Weltnaturschutzunion (IUCN) ist der Balsabaum auf den Westindischen Inseln sowie in Mittel- und Südamerika beheimatet. Zudem wächst der Baum auf Plantagen, einerseits in den beheimateten Regionen wie auch in weiteren tropischen Ländern wie China, Indien, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Sri Lanka, Simbabwe, Kamerun, Ghana oder Papua-Neuguinea. 


Der Balsabaum ist weder biologisch bedroht noch auf der Roten Liste der Weltnaturschutzorganisation. Die weit verbreitete und reichlich vorhandene Baumart wächst zwar schnell, ist aber mit 25 bis 50 Jahren relativ kurzlebig. Ein Balsabaum wird bis zu 30 Meter hoch und hat einem Stammdurchmesser von 1 bis 1,20 Metern.


Balsaholz ist gemäss IUCN weltweit nachgefragt und findet vielseitige Verwendung. Einerseits im Hobby- und Handwerksbereich, aber auch in diversen Industriezweigen wie etwa in der Schiffsfahrt, Strassen- und Schienenverkehr, Luft- und Raumfahrt sowie in der Industrie und im Bauwesen. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien wird es verwendet. Hier findet Balsaholz zur Stabilisierung der Konstruktion in Verbindung mit anderen Werkstoffen Verwendung.


Balsaholz in Windenergieanlagen


Balsaholz weist eine hohe Festigkeit bei gleichzeitiger Flexibilität auf. Wegen dieser Eigenschaften findet die Holzart auch in der Rotorblattherstellung Verwendung, schreibt der deutsche Bundesverband Windenergie in einer Broschüre. Das Balsaholz wird im Sandwichverfahren mit anderen Werkstoffen wie Kunst-, Glas- oder Kohlefaserstoffen und Harzen im Innern der Rotorblätter verbaut, um so die Gesamtkonstruktion zu stabilisieren.


Jedoch ersetzen immer mehr Hersteller das Balsaholz durch andere Stoffe wie etwa PET oder PVC-Schaum. Der deutsche Bundesverband Windenergie gibt an, dass aktuell noch etwa in 30 Prozent der Rotorblätter Balsaholz verbaut werde – Tendenz sinkend. «Es ist davon auszugehen, dass Kunststoffe das Balsaholz als Werkstoff in naher bis mittlerer Zukunft vollständig ersetzen werden», schreibt der Verband.


Auch die Umweltschutzorganisation Rettet den Regenwald schreibt, dass bestimmte Hersteller «zunehmend PET-Schaumstoff, zum Teil sogar aus Recycling» für den Rotorblattbau nutzen. PET ist ein aus Erdöl hergestelltes Chemieprodukt.

 

Anteil von Balsaholz in Windenergieanlagen


Der verbreitete Social Media Post gibt an, dass Holz von 150 Balsabäumen in einer einzigen Windenergieanlage verbaut werde. Obwohl die Grösse der Windräder unterschiedlich ist, gehen verschiedene Quellen von einem geringeren Holzverbrauch aus.


Die Umweltschutzorganisation Rettet den Regenwald geht von etwa 40 Balsabäumen aus, welche in den in den Meeren installierten Offshore-Anlagen verbaut wird. Diese Anlagen würden aufgrund ihrer Grösse besonders viel Balsaholz benötigen. Dieser Bericht zeigt zudem dasselbe Foto, welches auch im Sharepic zu sehen ist.


Auch der deutsche Bundesverband Windenergie geht von einer geringerem Holzverbrauch aus. In Europa sei gemäss Rotorblattingenieuren 5 bis 6 Kubikmeter Balsaholz pro Rotorblatt realistischer.


Nach Angaben eines Artikels des «Economist» von 2021 haben Ingenieure des US National Renewable Energy Laboratory, das auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien forscht, errechnet, dass für ein 100 Meter langes Blatt 150 Kubikmeter Balsaholz nötig seien.


Die weltweite Nachfrage nach dem Rohstoff führt zuweilen zu illegalen Rodungen, Raubbau und Schwarzhandel. Naturschutzorganisationen bemängeln zudem, dass teilweise natürlicher Regenwald für Balsabaumplantagen abgeholzt wird und somit das natürliche ökologische Gleichgewicht zerstört werde.


Schweizer Windenergieanlagen


Die Schweiz bezieht bis anhin ihre Windenergieanlagen von den beiden Herstellern Vestas und Enercon, wie Anita Niederhäusern von Suisse Éole auf Anfrage mitteilte. Bei den Windenergieanlagen, welche in der Schweiz im Einsatz seien, sei kein Balsaholz verbaut worden, schreibt Niederhäusern weiter. Anfragen bei den Herstellern blieben unbeantwortet.


Suisse Éole geht bei einem Windrad von durchschnittlich 30 Jahren Betriebszeit aus, Energie Schweiz von 20 bis 25 Jahren. Das Recycling der Anlagen ist zu 80 bis 90 Prozent möglich, gestaltet sich aber etwas schwierig, wie in einem früheren Faktencheck ausgeführt wurde. Das Fraunhofer-Institut forscht zur Trennung des Balsaholzes von den anderen verbauten Rohstoffen und zu einer geeigneten Wiederverwendung.


Windenergie produziert zwei Drittel des Stroms im Winterhalbjahr, wenn besonders viel Strom gebraucht wird und mit Solaranlagen weniger Strom produziert werden kann. Der Bund sieht daher in der Windenergie eine ideale Ergänzung zu Wasserkraft und Solaranlage.