15.05.2025 | Fussball-EM 2025

Die Bedingungen für ein echtes Volksfest sind gegeben – Christelle Luisier zur Fussball-EM

Christelle Luisier, die Staatsratspräsidentin und Vorsteherin des Departements für Institutionen, Raum und Sport des Kantons Waadt, ist seit Juni 2024 eines der neun Mitglieder des Zentralkomitees des Schweizerischen Fussballverbands (SFV). Die ehemalige Gemeindepräsidentin von Payerne sieht der Frauen-EM 2025 mit Ungeduld entgegen und wünscht sich gleichzeitig, «den Eifer und Schwung» dieses sommerlichen Grossereignisses in der Schweiz zu nutzen und zu verlängern.


Foto: KEYSTONE / Alessandro della Valle
Foto: KEYSTONE / Alessandro della Valle



Die Fussball-EM 2025 steht kurz bevor. Wie gross ist Ihre Vorfreude? 
Christelle Luisier: «Die Vorfreude ist gross, die Begeisterung für diese Euro ist bereits jetzt spürbar. Es wurden bereits über eine halbe Million Tickets verkauft, das bereitet sehr viel Freude. Es gibt ein echtes Feuer, das im ganzen Land für dieses grossartige Ereignis entflammt ist. Es wäre fabelhaft, wenn alle Spiele ausverkauft würden.»

Gibt es noch weitere Punkte?
«Ein Ereignis dieser Art ist völkerverbindend. Eine EM weckt Begeisterung und schafft einen Zusammenhalt in der Bevölkerung. Wie bei der EM 2008haben wir das Glück, zu Hause zu spielen. Das merkt man: Freiwillige, die Bevölkerung, die Städte, der Bund und die Kantone, alle sind eingebunden. Das schafft die Voraussetzungen nicht nur für eine grossartige Veranstaltung, sondern auch für ein echtes Volksfest.»

Ist der Erfolg bereits jetzt garantiert?
«Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir weiter darüber reden und es so gut wie möglich fördern.. Ausserdem - ich spreche jetzt aus der Sicht der für den Sport zuständigen Staatsrätin - ist es unsere Aufgabe, überall in der Schweiz Projekte rund um diese EM umzusetzen.»

Im Waadtland finden keine EM-Spiele statt – dennoch gibt es natürlich Aktivitäten auf dem Kantonsgebiet.
«Wir - und wie ich mir vorstelle auch viele andere Kantone, in denen keine Spiele ausgetragen werden -, setzen alles daran, um Projekte zu fördern, die den Frauensport im Allgemeinen und die Frauen im Fussball im Besonderen betreffen. Wir haben mehrere Projekte ins Leben gerufen. Solche, die sich nur auf das Ereignis beziehen, aber vor allem auch solche, die auf Dauer angelegt sind, damit die Frauen-EM ein Vermächtnis hinterlässt. Ein Ereignis dieser Art soll nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort stattfinden. Vielmehr geht es darum, die Energie, die der Event hervorruft, zu nutzen, um den Sport dauerhaft weiterzubringen. Man muss diesen Eifer, diesen Schwung, diese Flamme verlängern.»

Haben Sie Beispiele?
«Im März haben Kurse von Jugend+Sport speziell für Fussballtrainerinnen begonnen. Wir haben auch Schulungen für weibliche Führungskräfte von Sportvereinen organisiert und werden eine spezielle Schulung für Frauen in der Führung von Fussballvereinen anbieten. Gleichzeitig unterstützen wir die Einrichtung von Fanzonen durch interessierte Gemeinden, damit wir eben auch in unserem Kanton das Ereignis miterleben können.»

Gibt es EM-Spiele, die Sie sich vor Ort ansehen werden? 
«Ich werde sicher bei einigen Spielen dabei sein. Ich möchte unsere Nationalmannschaft anfeuern und unterstützen.» 

Was trauen Sie den Schweizerinnen zu? 
«Das Team befindet sich in einer schwierigen Gruppe, aber ich glaube, dass alles möglich ist - vor allem, wenn die Begeisterung des Publikums die Schweizerinnen dazu bringt, bei jeder Gelegenheit über sich hinauszuwachsen. Der Heimvorteil kann unsere Spielerinnen wirklich zusammenschweissen.» 

620220649 - Foto: KEYSTONE / Jean-Christophe Bott
620220649 - Foto: KEYSTONE / Jean-Christophe Bott



Um sich für die Viertelfinals zu qualifizieren? 
 «Ja, das ist das Ziel. Und warum nicht noch weiter, noch höher? Seien wir optimistisch! »

In Bezug auf das gesamte Turnier und die Organisation dieses Grossereignisses: Was muss im Juli passieren, damit sich die Organisation für die Schweiz und auch für den SFV lohnt?
«Zunächst einmal zählen die Ergebnisse. Dann geht es darum, alles zu tun, damit die Veranstaltung im ganzen Land ein bleibendes Erbe hinterlässt. Es ist eine grossartige Gelegenheit, den Frauenfussball und im weiteren Sinne auch den Frauensport insgesamt zu fördern. Der SFV hat die finanziellen Mittel bereitgestellt, damit die Euro einen bleibenden Effekt haben wird. Parallel dazu nutzen auch die öffentlichen Einrichtungen die Gelegenheit, um den Frauensport zu fördern.»

Dabei stellen sich viele Herausforderungen.
«Ja. Eine davon ist, die Erwartungen aller Mädchen zu erfüllen, die mit dem Fussball beginnen möchten. Eine andere wird darin bestehen, eine Infrastruktur aufzubauen, die dieser Begeisterung gerecht wird. Ganz allgemein besteht die Herausforderung darin, dass Frauen den gleichen Respekt, die gleiche Aufmerksamkeit und die gleiche Anerkennung wie Männer geniessen»

Was sind Ihre Überlegungen zu diesem Thema?
«Diese EM muss als Katalysator dienen, als Startschuss für Projekte, insbesondere im Bereich der Infrastruktur. Heute fehlt es den Kantonen vor allem an Infrastruktur. Dies ist eine grosse Herausforderung für die politischen Behörden. Wenn Sie Jugendliche auf Wartelisten haben, um den Sport ausüben zu können, den sie sich wünschen, dann ist das ein echtes Problem.  Wir haben Umfragen unter den Vereinen im Kanton Waadt durchgeführt und es hat sich herausgestellt, dass die Frage der fehlenden Infrastruktur eine der vorrangigen Problematiken für die Vereine ist. Die Herausforderung dabei ist nicht nur finanzieller Art, sie ist auch und zu einem grossen Teil eine Frage der Raumplanung.» 

Dabei geht es vor allem auch um die Plätze für die Frauen- und Mädchenteams…
«Das ist genau das, was man heute gut beobachten kann. Dort, wo es Wartelisten gibt, liegt der Hauptgrund vor allem am Zuwachs an weiblichen Sportlern, und das in verschiedenen Sportarten, wie zum Beispiel Eishockey oder Fussball. Diese Wartelisten existieren, weil es an Infrastruktur mangelt. Es liegt also an uns, in diesem Bereich zu handeln.»


Das Interview mit Christelle Luisier führte Keystone-SDA Sportchef Valentin Oetterli.