20.03.2024 | Faktencheck

Blocher irrt bezüglich der Finanzkraft Deutschlands

Die Schweiz ist fast ausschliesslich von Mitgliedsländern der Europäischen Union (EU) umgeben, die EU ist folglich eine wichtige Partnerin. Doch als Nicht-Mitglied zahlt die Schweiz keine EU-Beiträge. Nachbar Deutschland ist EU-Mitglied und bezahlt entsprechend die notwendigen Beiträge. Diese Zahlungen Deutschlands an die EU thematisierte Christoph Blocher in seiner Rede an der Albisgüetli-Tagung der SVP am 19. Januar 2024. 


Alt-Bundesrat Christoph Blocher spricht an der Albisgütli-Tagung der SVP am 19. Januar 2024 in Zürich. Foto: Keystone-SDA, Ennio Leanza.
Alt-Bundesrat Christoph Blocher spricht an der Albisgütli-Tagung der SVP am 19. Januar 2024 in Zürich. Foto: Keystone-SDA, Ennio Leanza.
Behauptung

Ein Ausschnitt von Blochers Rede vom Januar 2024 ab Minute 13.09 kursiert in den sozialen Medien. Darin sagt Blocher, die EU schulde Deutschland 1000 Milliarden Euro. Eine Facebook-Userin kommentiert den Video-Ausschnitt: Deutschland verschulde sich beim Internationalen Währungsfonds, um das Geld weiter an die EU zu liefern. Stimmt das?

Beurteilung

Deutschland, die grösste Volkwirtschaft der EU, bezahlt wie die anderen EU-Mitgliedsstaaten Beiträge an die Europäische Union. Eine rein buchhalterische Betrachtung verzerrt das Bild, inwiefern Deutschland von der EU profitiert. Trotz der EU-Beitragszahlungen hat Deutschland keine Zahlungsbilanzdefizite, derentwegen der Internationale Währungsfonds einspringen müsste.

Sachlage

Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union das bevölkerungsreichste Land und die grösste Volkswirtschaft. Somit zahlt Deutschland auch die grössten Beiträge an den EU-Haushalt, welcher zwar vielschichtig, aber vorwiegend über die direkten Beiträge der Mitgliederstaaten finanziert wird. Der Finanzierungsanteil eines Mitgliedstaates richtet sich nach dessen Wirtschaftskraft. Der konkrete Betrag wird jährlich neu festgelegt, darf aber 1,4 Prozent des Bruttonationaleinkommens des Mitgliedstaates nicht überschreiten.


Die Differenz zwischen Beiträgen an die EU und den von der EU erhaltenen Leistungen ergibt für Deutschland zwar ein negatives Saldo, was Deutschland zu einem Nettozahler macht. Doch aufgrund der rein buchhalterischen Betrachtung lässt sich nicht eruieren, inwiefern Deutschland von der Mitgliedschaft in der Europäischen Union profitiert. So zum Beispiel profitiert Deutschland als Teil der EU von der Integration in den EU-Binnenmarkt. Weiter profitiert Deutschland von der politischen Stabilität und Sicherheit, dem freien Personenverkehr, der kollektiven Forschung aber auch vom politischen Einfluss auf internationaler Ebene als Teil der EU.


Das Nettosaldo berücksichtigt diese diversen positiven Effekte für Deutschlands Wirtschaft, Forschung, Politik und Gesellschaft nicht. Die deutsche Bundesregierung betrachtete im Dezember 2023 den Beitrag an die EU als verhältnismässig. Die EU schuldet Deutschland aufgrund ihrer Regeln keine Rückzahlungen.


IWF als Finanzhilfe bei Krisen


Der Internationalen Währungsfonds (IWF) stellt von Zahlungsbilanzproblemen oder Finanzkrisen betroffenen Ländern finanzielle Unterstützung zur Verfügung. Damit sollen politische Massnahmen zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Stabilität und des nachhaltigen Wachstums ergriffen werden.


Deutschland bezieht vom IWF keine Unterstützungsleistungen. Gemäss dem letzten IWF-Länderbericht vom Juli 2023 wird die deutsche Wirtschaft als widerstandsfähig eingestuft. Zudem schreibt der IWF, das deutsche Finanzsystem bleibe insgesamt gut kapitalisiert und liquide.