AHV-Beträge liegen über Asylfürsorge
AHV-Beträge liegen über Asylfürsorge
Die Schweiz unterzeichnete als eine der ersten die Genfer Flüchtlingskonventionen. Heute wird die Schweiz eher als Transitland für Asylsuchende angesehen, aber auch hier steigen die Sozialhilfeausgaben. Diese Ausgaben umfassen Zahlungen aus der Alter- und Hinterlassenenversicherung (AHV), aber auch die staatlichen Zuschüsse für Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Ausländer, Schutzbedürftige sowie anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Die Frage bleibt, wer vom Staat mehr Geld erhält: AHV-Beziehende oder Asylbewerber?
In einem Facebook-Post wird behauptet, dass «der Schweizer» nach 44 Jahren Arbeit 1’616 Franken pro Monat erhalte, welche zu versteuern seien. Hingegen würde ein nicht-arbeitender Asylbewerber mit drei Kindern monatlich 6’724 Franken steuerfrei erhalten. Was hat es mit den Zahlen auf sich?
Die Zahlen haben so pauschal keine Faktengrundlage. Anerkannte Flüchtlinge haben auf dieselben Sozialhilfeleistungen Anspruch wie Schweizer Staatsbürger. Asylsuchende, wie sie im Social-Media-Post genannt werden, erhalten hingegen Asylsozialhilfe, die deutlich niedriger ist.
Die Sozialhilfe ist föderal organisiert, folglich variieren die konkreten Beträge. Je nach Umstand übernimmt die Sozialhilfe gewisse zusätzlich anfallende Kosten, doch das ist nicht die Norm.
Verglichen mit einem Asylsozialhilfe-Empfänger sind AHV-Beziehende bessergestellt. Die Höhe der AHV-Leistungen hängt allerdings von der Anzahl der Beitragsjahre sowie dem erzielten Einkommen ab.
Die finanziellen Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge variieren je nach Aufenthaltsstatus. Da zudem die Sozialhilfe föderal strukturiert ist, unterscheiden sich die Leistungen von Kanton zu Kanton, teilweise liegt dies sogar in der Verantwortung der Gemeinden.
Folglich kann ein konkreter Geldbetrag, den Asylbewerber bekommen, nicht generalisiert werden. Asylsozialhilfe ist eine reduzierte Sozialhilfeleistung, welche Asylsuchenden (Ausweis N), vorläufig aufgenommene Ausländern (Ausweis F) und Schutzbedürftigen (Ausweis S) zusteht. Das Asylgesetz (AsylG) Artikel 82, Absatz 3 schreibt vor, dass den Asylsuchenden und den Schutzbedürftigen «Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen» erhalten sollen. Der Ansatz für die Unterstützung habe zudem «unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung» zu liegen.
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) gibt «Richtlinien zur Ausgestaltung und Bemessung der Sozialhilfe» heraus. Auf Anfrage von Keystone-SDA schreibt die SKOS: «Die von den Kantonen erlassenen Regelungen stützen sich auf das Asylgesetz, sind jedoch sehr unterschiedlich.» Der Ansatz für Einzelpersonen bleibe im Vergleich mit dem SKOS-Grundbedarf zwischen 19 und 71 Prozent unter den Ansätzen der ordentlichen Sozialhilfe. Dies sind Stand September 2022 für eine Einzelperson pro Monat 295 bis 815 Franken, für eine Vier-Personen-Familie 1’065 bis 1’898 Franken. Laut SKOS beträgt der Ansatz in der Asylsozialhilfe für eine vierköpfige Familie 10 bis 50 Prozent unter der ordentlichen Sozialhilfe.
Hingegen haben anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge Anspruch auf dieselbe Sozialhilfe wie die einheimische Bevölkerung. Wohnkosten im ortsüblichen Rahmen sowie Kosten für die Krankenkasse werden von der Sozialhilfe übernommen. Für einen Einpersonenhaushalt empfiehlt die SKOS für den Grundbedarf 1’031 Franken pro Monat, für einen Vierpersonenhaushalt 2’206 Franken, für fünf Personen 2’495 Franken. Auch das ist weit unterhalb des behaupteten Betrages von 6’724 Franken.
Die SKOS-Mediensprecherin Ingrid Hess schreibt zudem: «Es kann jedoch während gewisser Zeiten oder bestimmten Umständen vorkommen, dass zusätzliche Kosten für Ausbildung oder für die Gesundheit [wie beispielsweise Zahnarztkosten] zusätzlich von der Sozialhilfe übernommen werden.» Dies sei aber keinesfalls der Normbetrag. Sozialhilfe ist grundsätzlich in der Schweiz steuerfrei. Doch generell gelten dabei die jeweiligen kantonalen Sozialhilfegesetze oder Verordnungen, schreibt Hess.
AHV-Beiträge sind je nach individueller Situation unterschiedlich
Die Altersvorsorge in der Schweiz basiert auf einem Dreisäulensystem: der staatlichen, der beruflichen und der privaten Vorsorge. Wie hoch die Rentenbeiträge ausfallen, hängt von mehreren Faktoren ab.
Die obligatorische staatliche Vorsorge – die erste Säule – ist die die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) (ab Seite 16). Die Höhe der AHV-Rente hängt durchschnittlichen Jahreseinkommen sowie von der Anzahl der Beitragsjahre ab.
Um den vollständigen AHV-Betrag zu erhalten, müssen für mindestens 44 Jahre die geforderten Minimalbeträge einbezahlt worden sein - diese Zahl wird auch im Social-Media-Post genannt. Die Minimale Altersrente beträgt seit Januar 2024 für eine Person 1’225 Franken, die Maximale AHV-Rente beträgt 2’450 Franken, ein Ehepaar erhält Maximum 3’675 Franken. Gibt es Beitragslücken, werden die Renten gekürzt.
Den Rentnerinnen und Rentnern kommen im Rentenalter neben den AHV-Beiträgen auch die individuellen Beträge der berufliche sowie der privaten Vorsorge, die sogenannte zweite und dritte Säule, zugute. Die Berufliche Vorsorge (BV) (ab Seite 12), variieren und hängen vom Einkommen ab und somit von dem in die Pensionskassen einbezahlten Beträge. Auch die Beträge der Dritten Säule (Seite 14), die freiwillige, steuerlich begünstigte Selbstvorsorge für Erwerbstätige, variieren, stehen aber im Rentenalter zur freien Verfügung stehen.
Reichen die Renteneinkommen nicht zur Existenzsicherung aus, werden Ergänzungsleistungen (EL) gezahlt. Die AHV-Beiträge, die Beträge der Pensionskassen sowie das Vermögen der Dritten Säule sind in der Tat steuerpflichtig. Doch zusätzliche Hilfsmittel der AHV sind steuerfrei.
Behauptungen, wonach Asylsuchende mehr Sozialleistungen vom Schweizer Staat erhalten würden als Schweizer Bürgerinnen und Bürger, kursieren in unterschiedlicher Form häufig in den sozialen Netzwerken. Keystone-SDA hat dies bereits mehrfach widerlegt.
UNHCR: Asyl in der Schweiz (archiviert)
Amnesty International: Asyl in der Schweiz, 30.03.2022 (archiviert)
BFS: Sozialhilfebeziehende, Datenstand 2023 (archiviert)
BFS: Ausgaben der Sozialen Sicherheit, Datenstand 2023 (archiviert)
SODK: Unterstützungsleistungen im Asylbereich nach Kanton, Stand Februar 2021 (archiviert)
SODK: Sozialhilfeleistungen im Asylbereich (archiviert)
SKOS: Fachverband für Sozialhilfe (archiviert)
SKOS: Grundbedarf für Asylsozialhilfe, Januar 2023 (archiviert)
SKOS: Grundbedarf für Sozialhilfe, März 2023 (archiviert)
SKOS: Richtlinien Materielle Grundsicherung (archiviert)
SKOS: Richtlinien finanzieller Grundbedarf (archiviert)
SKOS: Richtlinien Rückerstattung (archiviert)
SEM: Ausweis N – Asylsuchende (archiviert)
SEM: Ausweis F – Vorläufig aufgenommene Ausländer (archiviert)
SEM: Ausweis S – schutzbedürftige (archiviert)
Bundesgesetz: Asylgesetz (AsylG) (archiviert)
Pro Infirmis: Besteuerung von Sozialleistungen (archiviert)
Jusletter: Sozialhilferechtliche Rückerstattungen, 19.03.2018 (archiviert)
BSV: Broschüre Altersvorsorge, Dezember 2023 (Download) (archiviert)
BSV: AHV-Beiträge Stand Januar 2024 (Download) (archiviert)
BSV: Dreisäulensystem (archiviert)
BSV: Beitragsdauer (archiviert)
BSV: Beitragslücke (archiviert)
BSV: Broschüre Ergänzungsleistungen, Dezember 2022 (Download) (archiviert)
AHV: Ergänzungsleistungen (archiviert)
Keystone-SDA Faktencheck: Rentner sind gegenüber Asylsuchenden bessergestellt, 09.08.2023
Keystone-SDA Faktencheck: Erhalten Personen mit Schutzstatus S eine AHV?, 13.09.2023
Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch