13.07.2022 | Faktencheck

Sind die Internationalen Organisationen an Seuchen, Inflationen und Kriegen Schuld?

Internationale Organisationen (IO) sind gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz «zwischenstaatliche Institutionen mit regionaler oder globaler Mitgliederstruktur und unterschiedlicher Zielsetzung». Das Aufkommen solcher Organisationen war eine europäische Entwicklung, die im ausgehenden 19. Jahrhundert einsetzte und eine Reaktion auf die Veränderungen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen aber auch staatlichen Strukturen war. Die aufstrebende Weltwirtschaft erforderte multilaterale Absprachen und einen ständigen zwischenstaatlichen Informationsaustausch. Insbesondere der Erste Weltkrieg zeigte die Relevanz von Internationalen Organisationen. Etliche Institutionen siedelten sich in Genf an. Die Stadt beherbergt seit über 150 Jahren internationale Organisationen und ist heute ein relevantes Zentrum für internationale Zusammenarbeit. Trotz der geschaffenen international ausgerichteten Gesprächsplattformen für Diplomaten lassen sich globale Seuchen, Inflationen oder Kriege nicht verhindern. 


Ein Mann am Eingang zum Hauptgebäude der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf, 5. Januar 2022. Foto: Keystone-SDA / Martial Trezzini
Ein Mann am Eingang zum Hauptgebäude der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf, 5. Januar 2022. Foto: Keystone-SDA / Martial Trezzini
Behauptung

Auf einem Plakat, welches in den sozialen Medien kursiert, ist zu lesen: «ohne WHO – keine Pandemie, ohne EZB – keine Inflation, ohne NATO – kein Krieg». Doch wären ohne WHO, EZB und Nato all diese Probleme tatsächlich vom Tisch?

Beurteilung

Die Abschaffung der genannten Organisationen würde weder Kriege, Pandemien noch die Inflation beenden. Eine Pandemie ist eine global auftretende Infektionskrankheit, die auf Erreger wie Viren zurückgeht. Die WHO bemüht sich, deren Ausbreitung einzugrenzen. Für eine Inflation gibt es stets mehrere Gründe, auch die Geldpolitik der EZB beeinflusst sie. Kriege gab es lange vor der Gründung der Nato und auch heute ist das Verteidigungsbündnis bestehend aus europäischen und nordamerikanischen Mitgliedstaaten nicht in sämtlichen bewaffneten Konflikten weltweit involviert.

Sachlage

Fakt 1: Seuchen kommen und gehen seit Tausenden von Jahren


Eine Pandemie ist eine Infektionskrankheit, die für eine gewisse Zeitspanne weltweit gehäuft auftritt. Seuchen «treten auf, breiten sich aus, schlagen da und dort zu, werden schwächer und verschwinden ohne ersichtlichen Grund», steht im Historischen Lexikon der Schweiz. Umweltbedingungen, hygienische Massnahmen, ökologisches Gleichgewicht, kulturelle Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Mobilität und Lebensstil beeinflussen den Verlauf von Seuchen.


Wissenschaftler gehen davon aus, dass aufgrund des beschleunigten Artensterbens das Pandemierisiko zunimmt. Wird das Ökosystem gestört, entstehen mehr neue Krankheiten. Gelegenheiten für einen Virusaustausch zwischen Mensch und Tier nehmen durch das menschliche Eingreifen in die Natur zu. Viren mit hohem Pandemiepotenzial treffen beim Menschen unvorbereitete Immunsysteme an.


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nation (UNO) setzt sich seit 1948 für eine gesündere und sicherere Welt ein. Sie hat 194 Mitgliedsstaaten. Sie setzt sich für eine global faire Bereitstellung von Ressourcen ein und unterstützt bei Gesundheitsnotfällen betroffene Regionen. Der Beitritt der Schweiz in UNO und somit in die WHO erfolgte im Jahre 2002. Das Schweizer Stimmvolk befürwortete diesen Schritt bei der vorangegangenen Abstimmung mit 54,6 Prozent.


Die Schweizer Gesetzgebung respektiert die Kompetenzen der gesundheitlichen Warnung durch die WHO. Das Epidemiegesetz (EpG) hält fest, dass eine besondere Lage vorliegt, wenn die WHO «gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite» feststellt und in der Schweiz eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht. Entsprechend hat der Bundesrat die Befugnisse, Massnahmen anzuordnen. Sars-CoV-2 stuft die WHO seit Ende Januar 2020 als gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ein.


Fakt 2: Faktisch jede Währung ist langfristig von Inflation betroffen


Ein anhaltender Prozess der Geldentwertung wird als Inflation bezeichnet. Der Konsument erhält dabei immer weniger Ware für sein Geld, auch Ersparnisse verlieren ihren Wert. Diverse Ursachen können zu einer Inflation führen.


Wenn die Konsumentennachfrage nach bestimmen Gütern grösser ist als das Angebot, steigt in der Regel der Preis. Unternehmen können eine Inflation herbeiführen, indem sie für die Gewinnerhöhung die Preise anheben oder andere Kostenanstiege an die Konsumenten abwälzen.


Auch eine fehlgeleitete Geldpolitik kann zu einer Inflation führen. Dabei wächst die im Umlauf befindende Geldmenge schneller als das Waren- oder Dienstleistungsangebot.
Das Historische Lexikon der Schweiz schreibt, dass fast alle Geschichtsperioden mit grossem Wirtschaftswachstum mit Preiserhöhung und Inflation konfrontiert waren. Diese können schwere wirtschaftliche und soziale Folgen haben.


Um der Inflation hierzulande entgegenzuwirken, wurde 1905 die Schweizerische Nationalbank (SNB) gegründet. Diese soll die Preisstabilität in der Schweiz gewährleisten. Andere Staaten entwickelten dafür ihre eigenen nationalen Zentralbanken. Die Europäische Zentralbank (EZB), welche im Sharepic erwähnt wird, soll die Preise im Euroraum stabilisieren. Sie Institution wurde 1998 gegründet, der Euro wurde 1999 eingeführt.


Inflation gab es also schon vor der Gründung der Europäischen Zentralbank, und der Euroraum ist nicht das einzige Gebiet, das von Inflation betroffen ist. Gemäss Medienberichten hält sich die aktuelle Inflation hält sich in der Schweiz verglichen mit EU-Ländern in Grenzen. 

 

Fakt 3: Auch ohne die Nato gibt es Kriege


Die Enzyklopädie Britannica führt eine Liste von diversen Konflikten, die Jahrhunderte zurückreicht. In der Chronik der World History Encyclopedia, spezialisiert auf alte Geschichte, listet einen Konflikt in Mesopotamien auf, der auf das Jahr 2400 vor Christus datiert ist.


Die Nato wurde 1949 gegründet und ist ein europäisches und nordamerikanisches militärisches Verteidigungs- und Sicherheitsbündnis mit 30 Mitgliedsstaaten. Dem Vertrag liegt das Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung zugrunde. Ein Angriff gegen eines oder mehrere Mitglieder wird dabei als Angriff gegen alle bewertet. Dies wurde – Stand Juni 2022 – nur einmal angewendet, nach den Anschlägen am 11. September 2001 in den USA.


Das Bündnis nimmt längst nicht bei allen aktuellen Konflikten eine aktive Rolle ein, zum Beispiel im Jemen. Die Nato verurteilt Russlands Krieg gegen die Ukraine und hat umfangreiche Hilfe zugesichert.


Die Schweiz kooperiert im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden mit der Nato. Damit kann die Schweiz ihre sicherheitspolitischen Anliegen einbringen. Ein Beitritt schliesst das Neutralitätsrecht aus. 
 

Quellen

Facebook-Post (archiviert)


EDA: Internationales Genf (archiviert)


HLS: Internationale Organisationen (IO) (archiviert)


HLS: Seuche (archiviert)


HLS: Weltgesundheitsorganisation (archiviert)


NetDoktor: Pandemie & Epidemie (archiviert)


NetDoktor: Zeitalter der Pandemie (archiviert)


WHO: Geschichte (archiviert)


WHO: Arbeit der WHO (archiviert)


WHO: Erklärung des Notfallausschusses zu Covid-19, 30.01.2020 (archiviert)


WHO: Erklärung des Notfallausschusses zu Covid-19, 13.04.2022 (archiviert)


WHO: Mitgliedstaaten, Stand Juli 2022 (archiviert)


EDA: FAQ Vereinte Nation, Stand 26.01.2022 (archiviert)


Bundeskanzlei: Abstimmung für UN-Beitritt, 03.03.2002 (archiviert)


Epidemiengesetz (EpG) (archiviert)


EZB: Über die EZB (archiviert)


EZB: Geldpolitik (archiviert)


EZB: Wirtschafts- und Währungsunion (archiviert)


HLS: Inflation (archiviert)


HLS: Schweizerische Nationalbank (SNB) (archiviert)


SNB: Auftrag (archiviert)


Handelszeitung: Inflation (archiviert)


Handelsblatt: Preise in der Schweiz, 04.07.2022 (archiviert)


Nato: Was ist die Nato (archiviert)


Nato: Beziehung zur Ukraine, 15.6.2022 (archiviert)


Nato: Unterstützung für die Ukraine, 27.6.2022 (archiviert)


World History Encyclopedia: Chronologie der Kriege (archiviert)


Britannica: Chronologie der Kriege (archiviert)


Britannica: Übersicht über Konflikte (archiviert)


bpb: Internationale Konfliktportraits (archiviert)


EDA: Partnerschaft für den Frieden (archiviert)


VBS: Interview mit Bundesrätin Viola Amherd, 20.05.2022 (archiviert)
 

 

 

 

Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch