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null Die EMA-Datenbank listet lediglich Verdachtsmeldungen

01.09.2021 | Faktencheck

Die EMA-Datenbank listet lediglich Verdachtsmeldungen

Mehr als 65 Prozent der über 18-Jährigen in den EU-/Efta-Ländern sind vollständig gegen Covid-19 geimpft (Stand Mitte August 2021). Um die Sicherheit der Impfstoffe zu überwachen, führt die Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eine Datenbank mit den gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen. Diese sind im zeitlichen Zusammenhang mit einer Corona-Impfung beobachtet worden. Falschinterpretationen über diese von der EMA gesammelten Daten kursieren massenweise in den sozialen Medien.


Die Aussenansicht des Hauptsitzes der European Medicines Agency, EMA, in Amsterdam, Niederlande, aufgenommen am Dienstag 16. März. Die Europäische Arzneimittelagentur überwacht die Sicherheit von Arzneimitteln, die in der EU zugelassen sind. Foto: Keystone-SDA / AP Photo / Peter Dejong
Die Aussenansicht des Hauptsitzes der European Medicines Agency, EMA, in Amsterdam, Niederlande, aufgenommen am Dienstag 16. März. Die Europäische Arzneimittelagentur überwacht die Sicherheit von Arzneimitteln, die in der EU zugelassen sind. Foto: Keystone-SDA / AP Photo / Peter Dejong
Behauptung

So kursiert auf diversen Plattformen die Behauptung, 2021 seien im Zusammenhang mit Impfungen fast 19’000 Menschen gestorben. Dies wird mit einem nicht näher erklärten Ereignis von 1976 verglichen. Damals sei «eine Impfung vom Markt genommen [worden], nachdem 56 Menschen gestorben waren».

Beurteilung

Meldungen im System EudraVigilance von der Europäischen Arzneimittelagentur sind Verdachtsmeldungen. Folglich geben diese keine Auskunft über Todesursachen. Die zeitlich im Zusammenhang mit einer Covid-Impfung aufgetretenen Todesfälle können somit nicht ohne weitere wissenschaftliche Untersuchungen auf die Impfung zurückgeführt werden. Diese Behauptung ist also falsch.

Sachlage

Vorsicht bei der Dateninterpretation aus dem Meldesystem der EMA


Die Europäische Arzneimittelagentur überwacht die Sicherheit von Arzneimitteln, die in der EU zugelassen sind. Sie soll sicherstellen, dass der Nutzen die Risiken überwiegt.


Dazu verwendet die EMA das Meldesystem EudraVigilance. In dieser Datenbank werden unter anderem Fälle von Symptomen in zeitlichem Zusammenhang mit einer Corona-Impfung erfasst. Die nationalen Arzneimittelbehörden der EU-Mitgliedstaaten sowie weitere Vertragspartner wie Pharmaunternehmen mit entsprechender Zulassung melden solche Verdachtsfälle. Aufgrund des Abkommens für den Informationsaustausch zwischen der EMA und der Schweiz werden auch die Daten aus der Schweiz aufgenommen.
 

Bei den Meldungen handelt es sich aber lediglich um Verdachtsfälle. Sie sind deshalb keine Bestätigungen dafür, «dass eine gewisse unerwünschte Wirkung bei einem Patienten durch ein bestimmtes Arzneimittel ausgelöst wurde». Dies schreibt die EMA in ihrer Anleitung zur Dateninterpretation. Die Meldungen der Verdachtsfälle geben weder Auskunft über die Ursache der Symptome noch über die Sicherheit des Arzneimittels. Dazu sind weitere wissenschaftliche Studien notwendig.


Die angeblichen tödlichen Ereignisse im zeitlichen Zusammenhang mit der Covid-Impfung sind ebenso Verdachtsmeldungen und deshalb keine Belege dafür, dass der Impfstoff den Tod verursacht hat. «Die Tatsache, dass jemand ein medizinisches Problem hatte oder nach der Impfung gestorben ist, bedeutet nicht unbedingt, dass dies durch den Impfstoff verursacht wurde», so die EMA-Sprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Sie teilte auch mit, dass die im Tweet verbreitete Zahl von «fast 19 000 Toten» der EMA nicht bekannt sei.
 

Fazit: Die in der Datenbank aufgeführten Todesfälle können folglich nicht automatisch auf die Covid-19-Impfung zurückgeführt werden. Dies gilt ebenso für alle erfassten Nebenwirkungen. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic meldete Mitte August 2021, der Nutzen der eingesetzten Covid-Vakzine übersteige das Risiko. 

 

Impfstoff-Fiasko im Jahre 1976


Im Jahr 1976 ereignete sich in den USA ein Impfstoff-Fiasko, nachdem in einem Militärcamp die Schweinegrippe ausgebrochen war. In Erinnerung an die verheerenden Auswirkungen der Spanischen Grippe im Jahre 1918 wurden zur Prävention mehr als 40 Millionen amerikanische Bürgerinnen und Bürger geimpft – über 20 Prozent der damaligen Bevölkerung.


Doch die Impfung führte zu mehr Leiden und Todesfällen als die Krankheit selbst. Anfang Oktober 1976 wurde die erste Impfdosis ausserhalb von Studienprogrammen injiziert. Noch im gleichen Monat meldeten die US-amerikanischen «Centers for Disease Control and Prevention» (CDC) 41 Todesfälle in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch nicht bekannt, ob die Impfung dafür verantwortlich war.
 

Etwa 500 Geimpfte litten später am Guillain-Barre-Syndrom, welches Nerven schädigt und Lähmungen verursacht. Die Zahl von 56 Todesfälle aufgrund der Impfung im Jahr 1976 konnte nicht verifiziert werden.


Fazit: Es stellte sich heraus, dass die Impfung mehr Leiden verursachte als dass sie nützte. Das Risiko überstieg also deren Nutzen. Deswegen wurde die Impfung eingestellt. 
 

Quellen

Facebook-Post: 

https://www.facebook.com/andreas.wuethrich2/posts/4289575371133810

(archiviert: https://archive.ph/xBl8Z)

 

 

Tweet: 

https://twitter.com/StreuliRoland/status/1418816724619628545

(archiviert: https://archive.ph/7ckkc)

 

 

European Centre for Disease Prevention and Control:

 

- Vaccine Tracker: 

https://vaccinetracker.ecdc.europa.eu/public/extensions/COVID-19/vaccine-tracker.html#uptake-tab

(archiviert: https://archive.ph/6psrw)

 

- Auftrag der EMA: 

https://www.ema.europa.eu/en/about-us/what-we-do

(archiviert: https://archive.ph/STSab)

 

- EudraVigilance: 

https://www.adrreports.eu/de/index.html

(archiviert: https://archive.ph/xEgUO)

 

- Zusammenarbeit mit der Schweiz: https://www.ema.europa.eu/en/partners-networks/international-activities/bilateral-interactions-non-eu-regulators/switzerland

(archiviert: https://archive.ph/Po2Vj

 

- Anleitung der Dateninterpretation: 

https://www.adrreports.eu/docs/Guide_Interpretation%20of%20spontaneous%20ICSRs_DE.pdf

(archiviert: https://web.archive.org/web/20210726144508/https:/www.adrreports.eu/docs/Guide_Interpretation%20of%20spontaneous%20ICSRs_DE.pdf)

 

 

Swissmedic:

 

- Medienmitteilung: Informationsaustausch mit der EMA 22.7.2015: 

https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/mitteilungen/archiv/regulierungsbehoerden-der-eu-und-der-schweiz-unterzeichnen-verei.html

(archiviert: https://archive.ph/ChEEh)

 

- Update Risiko-Nutzen Analyse der Covid-Impfstoffe, 10.08.2021: 

https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/coronavirus-covid-19/covid-19-vaccines-safety-update-4.html

(archiviert: https://archive.ph/pLKpk)

 

 

Berichterstattung über das Impf-Fiasko im Jahr 1976:

 

- Los Angeles Time, 27.4.2009: https://www.latimes.com/archives/la-xpm-2009-apr-27-sci-swine-history27-story.html

(archiviert: https://archive.ph/p24OG)

 

- BBC Future, 22.9.2020: 

https://www.bbc.com/future/article/20200918-the-fiasco-of-the-us-swine-flu-affair-of-1976

(archiviert: https://archive.ph/xEqXT)

 

- CNN Health, 30.4.2009: 

https://edition.cnn.com/2009/HEALTH/04/30/swine.flu.1976/index.html#:~:text=the%20program%20was%20suspended%20after%20at%20least%2025%20people%20died%20from%20vaccine%20reactions.%20other%20estimates%20put%20the%20death%20toll%20at%2032%20people

(archiviert: https://archive.ph/AMpZY)

 

- NCBI: Chronik der Schweinegrippe im Jahre 1976: 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK219595/#:~:text=22%20%E2%80%93%20cdc%20announces%2041%20deceased%20vaccinees%20to%20date%3B%20still%20no%20known%20connection%20to%20vaccine

(archiviert: https://archive.ph/DUo13)

 

 

 

 

Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch