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03.11.2021 | Faktencheck

Nordische Länder passten ihre Impfempfehlung an: Schweizer Medien berichteten

Die Schweizer Behörden empfehlen die Covid-19-Impfung. Regelmässig überprüft das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic die Sicherheit der hierzulande zugelassenen Covid-19-Vakzine und bewertet das Nutzen-Risiko-Verhältnis neu. Neue Studien zu den Impfstoffen werden laufend veröffentlicht und deren Ergebnisse werden zur Sicherheitsanalyse hinzugezogen. Mit zunehmendem Wissensstand werden auch die Empfehlungen geändert. So haben Anfang Oktober nordische Länder ihre Impfempfehlungen angepasst.


[Symbolbild] Ein Fläschchen
[Symbolbild] Ein Fläschchen "Moderna Covid-19 Vaccine" bei der Einweihung des Impfzentrums Beaulieu am 19. April 2021 in Lausanne. Regelmässig überprüft Swissmedic die Sicherheit der hierzulande zugelassenen Covid-19-Vakzinen. Foto: Keystone-SDA / Laurent Gillieron
Behauptung

Anfang Oktober änderten nordische Länder ihre Impfempfehlungen. Die Behörden in Dänemark und Schweden stellten die Abgabe des Covid-19-Impfstoffes des Hersteller Moderna an unter 30-Jährige ein. «Staatsmedien» hätten nicht darüber berichtet, lautet eine in den sozialen Netzwerken kursierende Behauptung. Doch berichteten Schweizer Medien tatsächlich nicht über die Änderungen der Impfempfehlung in skandinavischen Ländern? Gibt es hierzulande «Staatsmedien»?

Beurteilung

Beide Behauptungen stimmen nicht. Die öffentlich-rechtliche SRG sowie privatwirtschaftlich geführte Medien griffen die in den nordischen Ländern geänderten Impfempfehlungen zum Covid-19-Impfstoff von Moderna sehr wohl auf. Ein «Staatsmedium» gibt es in der Schweiz nicht.

Sachlage

Sämtliche skandinavischen Länder haben die Abgabe der Covid-19-Impfung Spikevax des Herstellers Moderna an junge Männer Anfang Oktober 2021 eingeschränkt. Eine unveröffentlichte Studie registrierte bei Jungen und bei Männern unter 30 Jahren vermehrt Myokarditis, eine Entzündung des Herzmuskels. Diese trat vor allem nach der zweiten Spikevax-Dosis auf.

 

Aufgrund dieser Studiendaten beschränkten sämtliche nordischen Staaten die Verabreichung des Covid-19-Impfstoffs von Moderna. Am 6. Oktober 2021 änderten drei Staaten die Impfempfehlung: Die dänische Behörde empfahl, unter 18-Jährigen ausschliesslich den Impfstoff von Pfizer/Biontech zu verabreichen. Die norwegische Behörde empfiehlt zusätzlich, für alle Männer unter 30 Jahren ebenfalls den Impfstoff von Pfizer/Biontech zu wählen. Schweden stellte die Abgabe von Spikevax an alle mit Jahrgang 1991 und jünger bis Anfang Dezember komplett ein.

 

Einen Tag später gab auch die finnische Behörde die Empfehlung heraus, Männern unter 30 Jahren nur den Impfstoff von Pfizer/Biontech zu verabreichen. Am 8. Oktober informierte Island, auf die Verwendung von Spikevax gänzlich zu verzichten.

 

Die Schweizer Nachrichtenagentur Keystone-SDA hat über die Entscheide der dänischen und schwedischen Behörden am 6. Oktober berichtet. Die Meldung wurde am gleichen Tag von der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) aufgenommen. Die Meldung wurde also einen Tag vor dem Tweet von Schweizer und von internationalen Medien aufgenommen und in den folgenden Tagen mehrfach thematisiert.

 

Staatsmedien gibt es in der Schweiz keine. Die SRG ist ein öffentlich-rechtliches Medienunternehmen. Sie finanziert sich unter anderem mit den Einnahmen aus der Medienabgabe und erfüllt einen politisch vorgegebenen Auftrag. Redaktionell berichtet sie unabhängig.

 

Die skandinavischen Staaten verweisen in ihrer Mitteilung jeweils auf dieselbe Studie, welche die Häufigkeit von Herzmuskelentzündung und Herzbeutelentzündung (Perikarditis) nach einer Covid-19-Impfung untersucht hat. Dafür kooperierten die nordischen Gesundheitsbehörden. Es beteiligten sich das Labor der dänischen Gesundheitsbehörden Statens Serum Institut, die schwedische Aufsichtsbehörde für Arzneimittel Läkemedelsverket, das norwegische Institut für öffentliche Gesundheit Folkehelseinstituttet soie das finnische Gesundheitsinstitut Instituttet for hälsa och välfärd (THL).

 

Die nordischen Gesundheitsbehörden reichten die Studie an die Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) weiter. Deren Sicherheitsausschuss gab Ende Oktober bekannt, weitere Daten für die Risikoanalyse von Myokarditis und Perikarditis im Zusammenhang mit mRNA-Impfstoffen zu bewerten. Die EMA bat die Pharmahersteller, ihre mRNA-Impfstoffe im Zusammenhang mit Myokarditis und Perikarditis anhand sämtlicher zur Verfügung stehenden Daten eingehend zu prüfen. Stand 29. Oktober 2021 sah die EMA keine ausreichende Beweislast für einen Kausalen Zusammenhang zwischen den erwähnten Erkrankungen und den Impfstoffen. Sicherheit und Wirksamkeit würden aber weiterhin überwacht und kommuniziert, schreibt die EMA. 

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab Ende Oktober ebenfalls ein Statement zu den Fällen von Myokarditis und Perikarditis nach einer Covid-19-mRNA-Impfstoffinjektion heraus. Aktuelle Beweise deuten auf einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zwischen Myokarditis und den mRNA-Impfstoffen hin, schreibt die WHO in ihrer Stellungnahme. Weitere Analysen seien jedoch notwendig. Das Gesamtrisiko sei allerdings gering, führte die WHO aus.

 

Auch das deutsche Paul-Ehrlich-Institut (PEI) weist in seinem jüngsten Sicherheitsbericht auf ein vermehrtes Auftreten von Myokarditis- und Perikarditis-Fällen hin. Dies insbesondere bei jungen Männern, denen mRNA-Impfstoffe – insbesondere Spikevax – verabreicht wurde. Einen Kausalzusammenhang mit dem Covid-Impfstoff stellt das PEI aber nicht explizit her.

 

Die Auswertungen sind also noch nicht vollständig abgeschlossen. Die skandinavischen Länder jedoch schliessen Änderungen ihrer Impfempfehlung je nach Ergebnis nicht aus.

 

Das norwegische Gesundheitsinstitut betonte, Herzmuskelentzündungen nach der mRNA-Impfung seien rar, und das absolute Risiko sei gering. Nach der Injektion des Impfstoffes von Moderna sowie von Pfizer/Biontech könne Myokarditis auftreten, sie wurde jedoch häufiger bei der Verwendung von Spikevax beobachtet.

 

Die EMA wies bereits im Juli 2021 auf seltene Fälle von Myokarditis und Perikarditis nach einer Impfung mit den mRNA-Imfpstoffen von Pfizer/Biontech und Moderna hin. Beide Erkrankungen seien neu als Nebenwirkungen in der Produktinformation für diese Impfstoffe aufzulisten, so die EMA. Sie bestätigt, dass der Nutzen der zugelassenen Covid-19-Impfungen weiterhin die Risiken übersteigt. Swissmedic bewertete Mitte Oktober das Nutzen-Risiko-Verhältnis der zugelassenen Impfstoffe ebenfalls als positiv. Eine Änderung der Impfempfehlung analog zu denjenigen der nordischen Länder gaben die Schweizer Behörden nicht heraus. 

Quellen

Tweet: https://twitter.com/streuliroland/status/1445981096223690753

(archiviert: https://archive.ph/hvFYe

 

Medienmitteilung zur Änderung der Impfempfehlung von Spikevax:

 

Berichterstattung über die Entscheide der skandinavischen Länder:

 

SRG: Politischer Rahmen und Auftrag: https://www.srgssr.ch/de/wer-wir-sind/auftrag-politik-werte-und-strategie/politischer-rahmen-und-auftrag
(archiviert: https://web.archive.org/web/20211014134906/https:/www.srgssr.ch/de/wer-wir-sind/auftrag-politik-werte-und-strategie/politischer-rahmen-und-auftrag

 

Uvek: Service Public in Radio und Fernsehen: https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/kommunikation/service-public-radio-fernsehen.html
(archiviert: https://archive.ph/DKhmH)

 

Uvek: Förderung der Medienlandschaft: https://www.uvek.admin.ch/uvek/de/home/kommunikation/neue-massnahmen-zur-medienfoerderung.html
(archiviert: https://archive.ph/UA6Ow)

 

EMA: Risiko-Bewertung der mRNA-Impfstoffe zu Myokarditis, 29.10.2021: https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-25-28-october-2021
(archiviert: https://archive.ph/Bd5OM)

 

EMA: Medienmitteilung über Myokarditis und Perikarditis im Zusammenhang mit der mRNA-Impfung, 09.07.2021: https://www.ema.europa.eu/en/news/comirnaty-spikevax-possible-link-very-rare-cases-myocarditis-pericarditis
(archiviert: https://archive.ph/vz8GJ

 

PEI: Sicherheitsbericht zu Covid-19-Vakzine, 26.10.2021: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-09-21.pdf?__blob=publicationFile&v=8
(archiviert: https://web.archive.org/web/20211029125015/https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-09-21.pdf?__blob=publicationFile&v=8)

 

WHO: Stellungnahme zu Myokarditis und Perikarditis im Zusammenhang mit Covid-19-mRNA-Impfstoffen: https://www.who.int/news/item/27-10-2021-gacvs-statement-myocarditis-pericarditis-covid-19-mrna-vaccines-updated
(archiviert: https://archive.ph/tOqBm)

 

Swissmedic: Produktinformation Spikevax: https://www.swissmedicinfo.ch/ShowText.aspx?textType=FI&lang=DE&authNr=68267
(archiviert: https://archive.ph/lpyin)

 

Swissmedic: Nutzen-Risiko-Analyse, 15.10.2021: https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/news/coronavirus-covid-19/covid-19-vaccines-safety-update-7.html
(archiviert: https://archive.ph/zdlXp)

 

 

 

Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch