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null Elektrofahrzeuge könnten auch hochwassertauglich gebaut werden

18.08.2021 | Faktencheck

Elektrofahrzeuge könnten auch hochwassertauglich gebaut werden

In Deutschland ereigneten sich Mitte Juli heftige Regenfälle, die regional zu verheerenden Überschwemmungen führten. Auch das Schweizer Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie verzeichnete dieses Jahr einen ausserordentlich niederschlagsreichen Juli. Die Rettungskräfte waren in beiden Ländern gefordert. 


[Symbolbild] Ein Personenwagen fährt am 27. Juli 2021 in Melano, Tessin, auf einer überschwemmten Strasse. Entscheidend beim Durchqueren von Wasser ist nicht die Art des Antriebs, sondern die sogenannte Wattiefe durch die ein Fahrzeug fahren kann. Foto: Keystone-SDA / Pablo Gianinazzi
[Symbolbild] Ein Personenwagen fährt am 27. Juli 2021 in Melano, Tessin, auf einer überschwemmten Strasse. Entscheidend beim Durchqueren von Wasser ist nicht die Art des Antriebs, sondern die sogenannte Wattiefe durch die ein Fahrzeug fahren kann. Foto: Keystone-SDA / Pablo Gianinazzi
Behauptung

Im Anbetracht der Rettungseinsätze bei Hochwasser kursiert im deutschsprachigen Raum die Behauptung, dass bei Hochwasser keine einsatzfähigen Fahrzeuge mehr vorhanden seien, wenn es künftig nur noch Elektrofahrzeuge gebe. Die Begründung: Es komme zu einem Kurzschluss, wenn Elektrofahrzeuge ins Wasser geraten.

Beurteilung

Die Behauptung ist falsch. Elektrofahrzeuge können genauso hochwassertauglich gebaut werden wie Fahrzeuge, die mit Benzin oder Diesel betrieben werden. Sie müssen nur ausreichend abgedichtet sein. Fahrzeuge für Rettungseinsätze in Hochwasser müssen den Anforderungen der jeweiligen Situation standhalten.  

Sachlage

Elektrofahrzeuge stehen gegenüber den mit fossiler Energie betriebenen Fahrzeugen in Hochwassersituationen in nichts nach, erklärt Jürgen Biela telefonisch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Professor des ETH-Labors für High Power Electronic Systems sagt, Elektrofahrzeuge könnten genauso für Hochwassersituationen gebaut werden. Ausschlaggebend sei die Abdichtung der Elektronik. Diese hänge vom Hersteller ab. 

 

Bei den regulären E-Autos sind Gehäuse und Stecker gegen Regen- und Spritzwasser geschützt, jedoch nicht für den Betrieb unter Wasser geeignet, schreibt Markus Peter vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) in einem Artikel von «20 Minuten». Die «im unteren Bereich des Fahrzeuges eingebaute Komponenten […] gelten grundsätzlich als wasserdicht». Dies schütze gegen eindringendes Wasser von unten. Stehe aber eine Batterie länger komplett unter Wasser, werde sie geschädigt.

 

Innerhalb der Batterie ist aufgrund der zwei unterschiedlich geladenen Pole ein Kurzschluss möglich, sagt ETH-Professor Biela. Eingebaute Vorsichtsmassnahmen verhinderten jedoch, dass das Wasser in der Umgebung elektrisch geladen werde. Auch Markus Peter schreibt, dass «kein erhöhtes Risiko eines Stromschlags [bestehe], wenn ein E-Fahrzeug einen Wasserschaden erleidet.»

 

Elektrofahrzeuge hätten in Hochwassersituationen sogar einige Vorteile, sagt Biela. Im Gegensatz zu Diesel- oder Benzinmotoren brauchen sie keinen Ansaugkanal für Luft, um überhaupt funktionieren zu können. Und: Elektrofahrzeuge enthalten keinen Treibstoff, der auslaufen und das Wasser verschmutzen könnte.

 

Auch Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinmotoren haben verbaute Elektronik-Komponenten, die vor Wasser geschützt werden müssen. Zudem nehmen sie ebenfalls Schaden, wenn Wasser in den Motorraum eingedrungen ist. Deshalb ist es wichtig, dass der für die Luftzufuhr relevante Ansaugkanal jeweils über Wasser bleibt.

 

Entscheidend beim Durchqueren von Wasser ist nicht die Art des Antriebs, schreibt Jacqueline Stampfli auf Anfrage von Keystone-SDA. Massgeblich ist die sogenannte Wattiefe, die maximale Gewässertiefe, durch die ein Fahrzeug fahren kann. Die Kommunikationsbeauftragte des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ergänzt: «Dieser Wert ist bei allen Fahrzeugen unterschiedlich.»

 

Für den Personenverkehr ausgelegte Elektrofahrzeuge seien für Hochwasser nicht geeignet. Doch technisch sei es sehr wohl möglich, elektrisch betriebene Rettungsfahrzeuge zu konzipieren. Sie könnten auch so gebaut werden, dass sie unter Wasser fahren können. Dies wäre dann technisch vergleichbar mit U-Booten, sagt Jürgen Biela von der ETH.

 

Markus Peter vom Auto Gewerbe Verband ergänzt, dass weniger die Antriebstechnik herausfordernd sei als vielmehr die Verfügbarkeit von Strom zum Aufladen der Fahrzeuge. Bei Hochwasser werde oft auch das Stromnetz in Mitleidenschaft gezogen. In solchen Situationen könne flüssiger Treibstoff einfacher in die betroffene Region geliefert werden. Die eingesetzten (Not-)Stromaggregate der Rettungskräfte sowie des Militärs werden mit flüssigem Treibstoff zu betrieben, sagt Peter. 

 

In Hochwassersituationen kommen Fahrzeuge ziviler Behörden wie Feuerwehr, Polizei oder Sanität zum Einsatz. Die Beschaffung dieser Fahrzeuge fällt nicht unter die Beschaffungsstrategie des Bundes, welche lediglich zivil immatrikulierte Fahrzeuge betrifft, schreibt Stampfli. Die kantonalen Behörden könnten aber die Schweizer Armee um Unterstützung ersuchen. «Zurzeit werden bei solchen Unterstützungseinsätzen keine Elektrofahrzeuge verwendet», schreibt Stampfli. Wann sie zur Verfügung stehen, sei ungewiss. Dies hänge von den Entwicklungen des Marktes und den Anforderungen an die Fahrzeuge ab.

Quellen

Facebook-Post: 

https://www.facebook.com/matteo.diamante.12/posts/126757896276050

(archiviert: https://archive.ph/beDWr

 

 

Wetterdienst Deutschland: Dauerniederschläge vom 12. bis 19. Juli 2021: 

https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/niederschlag/20210721_bericht_starkniederschlaege_tief_bernd.pdf;jsessionid=7F8A76E6931D9B71FBCB44BBE8CA5EBB.live21071?__blob=publicationFile&v=6

(archiviert: https://web.archive.org/web/20210813152745/https:/www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/niederschlag/20210721_bericht_starkniederschlaege_tief_bernd.pdf;jsessionid=7F8A76E6931D9B71FBCB44BBE8CA5EBB.live21071?__blob=publicationFile&v=6

 

 

Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie: Wetterrückblick Hochwassermonat Juli 2021 (Download): 

https://www.meteoschweiz.admin.ch/content/dam/meteoswiss/de/Ungebundene-Seiten/Publikationen/Klimabulletin/doc/202107_d.pdf

(archiviert: https://web.archive.org/web/20210812134105/https:/www.meteoschweiz.admin.ch/content/dam/meteoswiss/de/Ungebundene-Seiten/Publikationen/Klimabulletin/doc/202107_d.pdf

 

 

20 Minuten: AGVS-Experte zum Thema E-Autos in Hochwasser: 

https://www.20min.ch/story/was-kann-bei-einem-wasserschaden-kaputtgehen-895213850460

(archiviert: https://archive.ph/HaXLd

 

 

Medienmitteilung VBS: Beschaffungsstrategie von Elektrofahrzeugen, 04.02.2021: 

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82239.html

(archiviert: https://archive.ph/EnEnv

 

 

 

 

Kontakt Faktencheck-Team: factchecking@keystone-sda.ch